Farbbilder

Kunst und Collagen aus Zeitungspapier

Einführung

Die Farbbilder

Diese Werke entstehen auf der Grundlage von Zeitungspapier. Täglich zerschneide ich Zeitungen. Aus Werbeseiten, Bildstrecken und kleinen Farbfeldern schneide ich Raster, Balken und Fragmente heraus und setze sie zu neuen Bildgefügen zusammen. Jede Collage besteht damit aus bereits gedruckter Farbe, die ich aus ihrem ursprünglichen Kontext löse und neu ordne.


Die Papiere kaschiere ich auf Triplexpappe, sodass reliefartige Oberflächen entstehen: Farbfelder, die zugleich Bild und Objekt sind. Mich interessiert dabei die Spannung zwischen der Flüchtigkeit des Mediums Zeitung und der körperlichen Präsenz der fertigen Arbeit – zwischen schnell konsumierter Information und langsam gebautem Bild. Aus dem täglichen Bilder- und Anzeigenstrom entstehen Farbräume, die ihre Herkunft nicht verleugnen und doch etwas Eigenes behaupten. Papier, das Licht zu speichern scheint.

Serie: Weltfell

Weltfell – Zeitungsfelle aus der Welt

Die Werkserie „Weltfell“ setzt bei einem scheinbar bescheidenen Material an: schmalen, auf Triplexpappe kaschierten Streifen aus der Tageszeitung "Die Welt". Diese auf Holzträger montierten Zeitungsstreifen werden so dicht und überlappend geschichtet, dass sie eine Oberfläche bilden, die zugleich an Fell, Gewebe und Wasserfall erinnert. Was ursprünglich Träger tagesaktueller Informationen war, verwandelt sich in eine sinnlich erfahrbare Haut der Welt – eine Oberfläche, in der sich Zeit, Nachrichtenfluss und Materialgeschichte sedimentieren.


In ihrer seriellen Anlage knüpfen die „Weltfelle“ ein feines Band an ihre Herkunft: Zeitungsstreifen, deren bedruckte Geschichte unter der Farbigkeit nur noch als feines, beinahe geheimes Flimmern anwesend ist. Die Collagen operieren damit zugleich als abstrakte Farbfelder und als Archiv des Sichtbaren – ein Stillstand im permanenten Strom der Bilder und Schlagzeilen.


Der Entstehungsprozess ist langsam, fast asketisch: Tausende von Streifen werden zugeschnitten, auf 1,5 Millimeter starke Pappen kaschiert, Schicht für Schicht verklebt, verdichtet, geglättet oder bewusst unruhig belassen. Nach einem Arbeitstag ist die Veränderung oft nur minimal – wie bei einem Teppich oder Fell, das Faser um Faser wächst. In jedem „Weltfell“ wird so Zeit buchstäblich eingearbeitet: als handwerkliche Dauerleistung, als sedimentierte Aktualität der Zeitung und als stille Antwort auf die Flüchtigkeit medialer Ereignisse. Die fertigen Arbeiten erscheinen wie konzentrierte, atmende Bildkörper, in denen das Rauschen der Welt zu einer eigenständigen, präzise komponierten Oberfläche geworden ist.

Serie: Zeitungsstreifen

Serie: Facetten der Meister

Zeitungscollagen nach Motiven der Kunstgeschichte

In der Serie „Facetten der Meister“ gehe ich Reproduktionen großer Werke der Kunstgeschichte so lange nach, bis sie ihr Motiv beinahe verlieren. Immer dann, wenn eine Tageszeitung eine dieser Bildikonen abdruckt – Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“, Dürers „Melencolia I“, Warhols Suppendose, den „Turm der Blauen Pferde“, Munchs "Paar am Meer" oder andere – kaufe ich diese Ausgabe hundertfach und mehr. Aus den identischen Abbildungen schneide ich Tausende kleiner Rechtecke, deren Ränder von Hand koloriert werden.

Die Ikone, der Meister, wird in zahllose kleine Facetten zerlegt und in einer neuen Haut aus Zeitungspapier wieder zusammengesetzt. Die fertigen Collagen bestehen aus zwei- bis achttausend solcher Fragmente. Sie überziehen die Fläche wie ein Raster, ein Schwarm, ein Facettenauge: Jeder Fleck des ursprünglichen Bildes wird zigfach gesehen, verschoben, leicht versetzt, gebrochen. Aus der einen Reproduktion entsteht ein vibrierendes Feld voneinander abweichender Wiederholungen – vertraut und fremd zugleich.

Odilons Papillons

Schmetterlinge im Neon-Gewitter der Reproduktion

Mit „Odilons Papillons“ nimmt meine Zeitungscollage das Gemälde „Papillons“ von Odilon Redon beim Wort: den Schmetterlingsschwarm. Doch hier flattern keine gemalten Insekten, sondern Aberhunderte aufkaschierter Zeitungsquadrate. Dazu habe ich etwa 150 Abbildungen der „Papillons“ in kleinste Teilchen zerschnitten und zu einem neuen, überbordenden Farbfeld verdichtet. Das ursprüngliche Bild liegt nicht mehr als „Original“, sondern als massenhaft vervielfältigte Reproduktion im Druckraster der Zeitung vor.


Die Collage steht damit in einer Traditionslinie, die von Redons Symbolismus über die farbaufgelösten Bilder Seurats bis hin zu digitaler Bildlogik reicht – nur dass jeder „Pixel“ aus bedrucktem Zeitungspapier besteht, dessen Schrift- und Bildreste als leises Rauschen unter der Farbigkeit weiterleben.


„Odilons Papillons“ umfasst 7.920 solcher Teilchen, deren 31.680 Ränder einzeln mit Neonfarben gefasst wurden. Allein diese Randbemalung beanspruchte mehrere Monate konzentrierter Arbeit; insgesamt habe ich über 125.000 Schnitte gesetzt, um das Bild in seine Partikel zu zerlegen und neu zu orchestrieren. Aus der Distanz erscheint eine große, flimmernde Farbwelle, näher betrachtet zerfällt sie in Quadrate, Schnipsel, Druckpunkte. So wird aus einem ikonischen Gemälde der Kunstgeschichte nicht nur eine Hommage, sondern auch eine Untersuchung darüber, was ein Bild im Zeitalter seiner massenmedialen Verstreuung sein kann: ein Schmetterlingsschwarm aus aufkaschierten Zeitungsstückchen, der das Auge buchstäblich ins Flattern bringt.

Blaue Pferde, getürmt

An „Blaue Pferde, getürmt“ lässt sich meine Arbeitsweise exemplarisch nachvollziehen. Grundlage ist Franz Marcs verschollenes Gemälde „Turm der Blauen Pferde“, das in der Zeitung nur als etwa 8 × 5 cm kleine Reproduktion erschien. Ich kaufte 110 Exemplare dieser Ausgabe, schnitt das Bild aus und kaschierte jede Reproduktion auf 1,6 Millimeter starke Triplexpappe. Anschließend zerteilte ich jedes Bild in 24 Rechtecke. So entstanden 2.640 Fragmente, deren 10.560 Ränder ich sorgfältig von Hand dunkel bemalte.


Diese Einzelteile ordnete ich auf einer Holzplatte zu einem Raster von 10 × 11 Fragmenten. In dieser neuen Formation sind die blauen Pferde als Motiv nicht mehr zu erkennen – sie sind im wörtlichen Sinne „getürmt“. Zugleich entsteht durch die Verdichtung der vielen Bildteile der Eindruck, als stapelten sich die Pferde übereinander. Aus diesem doppelten Sinnzusammenhang ergibt sich der Titel der Arbeit: „Blaue Pferde, getürmt“.

Dürer, Warhol, Nay, Vermeer

Weitere Werke der Kunstgeschichte zeigen "Facetten der Meister". Derzeit entstehen "Paar am Meer - Facetten zweier Einsamkeiten" nach Munch und ein vielfacher Kentridge.

Serie: Im Teilchenentschleuniger

Wellenteilchen in der Teilchenwelle

In dieser Serie von Zeitungs-Collagen werden Tausende von Börsenkursen ihrer ursprünglichen Bedeutung entkleidet. Kurslisten, Diagramme und Indizes – alles, was einst für Wert, Risiko und Information stand – wird zerschnitten und neu gefügt. Übrig bleiben grafische Restformen: Wellen und Linien, Berge und Täler. Im „Teilchenentschleuniger“ erstarren sie zu Wellenteilchen – reine Form, bar jeder Bewegung.


Der Anlagemarkt mag chaotisch erscheinen, ist er doch die verdichtete Summe menschlicher Entscheidungen, Emotionen und Schicksale. In den fragmentierten Wellenteilchen lagern die Ängste der Anleger, die Hoffnungen auf schnellen Reichtum und die stillen Katastrophen ganzer Volkswirtschaften. Kurven, die einst Aufstieg und Fall von Unternehmen markierten und das Schicksal von Staaten beeinflussten, werden hier zu stummen Zeugen eines vergangenen Herzschlagfiebers der Spekulation.


Auf dem hölzernen Untergrund verdichtet sich die Menge der Fragmente zu einem scheinbar bedeutungsvollen Feld. Doch was bleibt, sind nur die Hüllen des großen Brimboriums des Marktes: Wellenteilchen in der Teilchenwelle.

Quadratische Farbcollagen

Rechteckige Farbcollagen

Serie: Dürer-Variationen

12 Variationen auf Albrecht Dürers Melencolia I

In den Dürer-Variationen wird Albrecht Dürers „Melencolia I“ ins Zeitungspapier übersetzt.  Durch Zerschneiden, Verschieben und Neuordnen entsteht eine Folge von Hommagen, in denen sich Ernst und spielerische Lust am Experiment die Waage halten. (Siehe auch die Dürer Großcollage unter "Facetten der Meister")

Kunstpostkarten und Mail-Art

Serie: Berlin - Spreeathen

Serie: Berlin - Museumsinsel

Serie: Lehrlingscollagen

Zehn Lehrlingscollagen nach zehn Meistern

Die Lehrlingscollagen sind so etwas wie meine offene Werkstatt. Hier werden Schneiden, Kaschieren und Komponieren sichtbar erprobt: einfache Setzungen, kleine Wagnisse, Varianten eines Motivs.

Sammeltütensammlung

Vollständige Schönheit

Diese Rubrik präsentiert vollständige Ensembles unscheinbarer Alltagsgegenstände: Sammeltüten, wie sie etwa von Handelsketten wie REWE oder EDEKA ausgegeben werden. Was auf den ersten Blick wie eine schlichte Anhäufung wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Auseinandersetzung mit Vollständigkeit und der leisen Ästhetik des Seriellen - stets auf der Suche nach Schönheit.


Jede Sammlung folgt strikt den Regeln der jeweiligen Edition. Trägt eine Tüte die Kennzeichnung „1 von 25“, so umfasst die vollständige Serie genau 25 Exemplare. Bei der Angabe „1 Tüte von 36“ werden entsprechend 36 Tüten zusammengeführt. Durch diese akribische Vervollständigung wird das Flüchtige und Beiläufige – die einzelne Sammeltüte – in ein abgeschlossenes, fast archivarisch wirkendes Werk überführt. Die Kaschierung auf Holz verleiht diesen Momentaufnahmen des Konsums eine zusätzliche Ebene von Dauerhaftigkeit und markiert ihren neuen Status als künstlerisches Objekt.


In der scheinbaren Wiederholung liegt eine subtile Poesie. Minimale Unterschiede in Design, Farbe oder Zustand der einzelnen Tüten treten hervor und erzählen beiläufig Geschichten von Produktion, Vertrieb und der geduldigen Zusammenführung der Serien. Die „Sammeltütensammlung“ lädt dazu ein, die Schönheit im Gewöhnlichen zu entdecken – und die konzeptuelle Kraft zu erkennen, die in der systematischen Erfassung und Präsentation dieser vergänglichen Zeugen unserer Konsumkultur liegt.

Kreuzcollagen

Eine künstlerische Auseinander- und Zusammensetzung

Diese Rubrik versammelt rund zweihundert Kreuzcollagen. In ihnen setze ich mich mit einer der prägendsten Zeichenformen der europäischen Kultur auseinander: dem Kreuz als Bildform, nicht als persönliches Glaubensbekenntnis. Die meisten Arbeiten bestehen aus collagiertem Zeitungspapier, das auf Holz kaschiert ist; viele sind als Reliefcollagen ausgeführt und gewinnen dadurch eine zusätzliche körperliche Präsenz.


Das Kreuz interessiert mich als verdichtete Form – als einfachste Möglichkeit einen Menschen zu skizzieren, als Schnittpunkt von Horizontalem und Vertikalem, als kulturell überladene Figur, die zwischen Heilsversprechen, Leidensgeschichte, Verbotsschild, Grabkreuz und Zeichen der Hilfe changiert. In den Collagen wird diese Form aus vergänglichem Zeitungsmaterial neu zusammengesetzt. Zeitungsfarben, Bilder und rückwärtige Typografie verlieren ihre ursprüngliche Funktion und werden zu Bausteinen einer anderen, rein bildnerischen Ordnung.


Jede Arbeit ist ein Versuch, die Präsenz des Kreuzes jenseits persönblicher religiöser Zuschreibungen zu untersuchen. Einzelne Werkgruppen innerhalb der Rubrik – etwa die auf Pappmaché modellierten Reliefkreuze oder die „Fleischkreuze“ – variieren diesen Ansatz und verschieben den Fokus jeweils auf andere Aspekte von Materialität, Körperlichkeit und kultureller Überformung bis hin zur Überdeutung.

Fleischkreuze

Fleischkreuze: Vom Wort zum Fleisch

Die Werkgruppe der „Fleischkreuze“ bezieht sich auf eine der eindrücklichsten Formeln des Johannes-Evangeliums: „Im Anfang war das Wort … Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Nicht als religiöses Bekenntnis, sondern als Ausgangspunkt für eine radikal materielle Bildfindung.


In diesen Collagen wird gedruckte Information – das Wort in Form von Zeitung – in eine neue physische Präsenz überführt. Sämtliche „Fleischstücke“ stammen aus Berichten und Werbeanzeigen großer Zeitungen: photographierte Steaks, Wurstwaren, Fleischberge. Durch Schneiden, Schichten und Kleben werden diese Bilder aus ihrem ursprünglichen Werbekontext gelöst und zu einer kompakten, fast körperlich wirkenden Masse verdichtet. Das gewöhnlich flüchtige Zeitungspapier gewinnt Volumen, Dichte und Gewicht. Aus der zweidimensionalen Botschaft entsteht ein dreidimensional wirkendes „Fleisch“, das sich auf dem Holzkreuz lagert und „wohnt“.


So werden die „Fleischkreuze“ zu einer visuellen Auseinandersetzung mit der biblischen Metapher: Der Weg von abstrakter Information zu materieller Gestalt wird im Bild durchgespielt – zwischen Ankündigung und Einlösung, Versprechen und Fleischwerdung inmitten einer durch und durch säkularen, konsumgetriebenen Bildwelt.

Reliefkreuze

Kreuzcollagen in 30 x 10 cm

Kreuzcollagen in 15 x 10 cm