Gedichte

Gedichte

zur Lyra zu singen

Elefantenträne

Elefanten können weinen.

Punkt.

Dabei sollte man doch meinen,

Komma her du!

Weinen können nur die Kleinen,

Komma her du!

Doch Elefanten können weinen.

Punkt.

Traute und Jens

Als Jens sich nicht traute

Traute zu trauen

und Zutrauen

zum Traum verkam,

war Jens es,

der sich schlecht benahm,

als er Traute

fest vertaute

und im Kofferraum

verstaute

und beiden so

das Glücke nahm.

Auf dem Rücken meines Traumes

Auf dem Rücken eines Traumes

Ritt ich gestern abend aus.

Ich ritt zuerst nur durch den Flur,
Dann Wiese, Wald, ... naja - Natur!

Und am Fuße eines Baumes
Stockte plötz mein tumbes Tier.
"Weiter, weiter", schreit der Reiter.
"Nö", mault der Traum, "wir bleiben hier".

Wieso denne dat denn?

Komisch Traum,
Bleibt stehen vorm Baum.
Och, Menno, hoppla und Moment:

Das ist ja ...

Das ist ja ... eben jene welche Buche,

Nach der ich schon sooo lange ... schaue

Auf das ich mir ein Häuschen baue.

Denn wie das geht, las ich im Buche:
Man beginnt mit einer Buche.
Die haut man klein, die haut man kurz,
Von der Spitzel bis zur Wurz.
Dann  so trennt man Stamm und Ast
Und fertig ist das Häuslein!

... - fast.   


Der Hering

Es war einmal ein Hering,

Der hatte keinen Ehering,

Doch so lang er auch suchte,

Und so arg er auch fluchte,

Konnte er kein Ringlein finden -

Drum konnt' Herr Hering sich nicht binden.

Alter Spruch

Wenn du aus dir verjagst

All Unruh und Getümmel

Dann wirft Sankt Michael
Den Drachen aus dem Himmel
Darfst du bloß nicht drunterstehen
Musst du rasch zur Seite gehen.

Friedrich Schiller

Wenn

Man sich

Eine Woche lang
Mit Schiller beschäftigt
Und wenn man gar nichts anderes tut
Und an gar nichts anderes denkt
Nimmt man in
Sieben Tagen
Vierzehn
Pfund
Ab.

Kleinlich von Kleist

Wer ist glücklich?

Wer kann das?

Wer kann die Wendungen des Schicksals erraten?
Wer kennt die Namen der Magier und ihre Weisheit?
Wer könnte das aussprechen?
Wer versteht das?
Wer versteht mich?
Wer wird nach Jahrtausenden von uns und unserm Ruhme reden?
Wer wollte da gleich sich ängstigen?
Wer?
Ich?
Nein.

Der Käfer Manfred

Es war ein Käfer, der hieß Manfred.

Der krabbelt lustig durchs Gestrüpp
Er krabbelt über Stock und Steine
Das geht sehr schnell, er hat sechs Beine.
Er krabbelt links und geradeaus
Dann mitten in der Spinne Netz
Und da war dann das Krabbeln aus.

Da hängt er nun, der arme Tropf
Fäden kleben ihm am Kopf
Das kennt der Manfred leider nicht
Verheddert sich ganz fürchterlich.
Doch durch Gezucke und Gewimmer
Wird alles leider nur noch schlimmer
Denn sein Zucken und Gezeter
Weckt die alte Spinne Peter

Die krabbelt nun zu ihm hinab
Und Manfred ahnt:
Das Netz heißt Grab!
Der Spinnerich kommt näher, nah ...
Plötzlich ist er vollends da,
Fragt in fieser Seelenruh:
"Ich heiß Peter, wie heißt du?"

So, Manfred, jetzt benutze deinen Charme
Damit die Spinne dich nicht frisst,
So wie du bist, noch jung und warm.

"Ja, ich bin Manfred, Käfer des Herrn,
Und bin gekommen dich zu segnen."
"O", sagt Peter, "nett dir zu begegnen,
Doch ich bin kein Gott'sanbeter,
Ich bin nur die Spinne Peter."

"Dann laß mich doch dein Diener sein,
Ich fange Dir die Fliegen ein,
Auch Vögel, Hasen, Hirsche, Elche,
Du brauchst mir nur zu sagen welche."

"Na gut", sagt da die alte Spinne,
"Das ist ganz in meinem Sinne,
Doch lock mir Käfer in die Falle
Und zwar nicht einen, sondern alle."

Und der Manfred krabbelt los
Durch den Farn und durch das Moos
Und er ging in jedes Land,
Wo er einen Käfer fand.
Er ruft sie alle zu den Waffen,
"Gemeinsam werden wir es schaffen."

Zwölftausend Käfer zählt das Heer
Unser Manfred freut sich sehr,
Sie krabbeln zu der Spinne Netz -
Doch wo ist die Spinne jetzt?
"Hallo", ruft Manfred, "wir sind hier,
Zeig dich, böses Spinnentier."
Doch in Wald und weiter Flur,
Von der Spinne keine Spur.

"Wir ham sie in die Flucht geschlagen,
Die wird es nie nie wieder wagen
Einen nur von uns zu jagen,
Sonst geht's ihr richtig an den Kragen."

Da kommt von oben ein Gekiecher.
Oh Gott, was sind denn das für Viecher?
Zehntausend Spinnen in den Bäumen,
Nicht das Essen zu versäumen.

Seitdem gibt's keine Käfer mehr
Dafür Spinnen umso mehr.       

Athen, Nov. '98

Der Kater Manfred

Es war ein Kater, der hieß Manfred.

Und dieser Kater ging spazieren.

Und er tats auf allen Vieren.

Bis hierhin alles ganz normal.


Da kam ein fieses Dackeltier

Wie aus dem Nichts entsteht es hier,

So ein langes strenges Tier

Und stellt sich Manfred in den Weg.


"Weg da, du tumber Katerich,
Kennst denn Du den Dackel nicht?
Ich war als allererster hier,
Diese Straß' gehöret mir."

"Oh, verzeih, Du lange Wurst,
Ich geh zum Brunnen habe Durst.
Will dort meine Pfoten putzen,
muss doch diesen Weg benutzen."

"Der Brunnen, der gehört mir auch,
Ich brauch das Wasser für mein' Bauch.
Du musst den andern Weg benutzen
Und Dich in der Pfütze putzen."

"Ich brauche nur zwei kleine Tröpfchen,
ein' für den Magen, ein' für's Köpfchen.
Lass mich doch zum Wasser gehen.
wirst mich auch nie wieder sehen."

"Nein, nein. Und, ach, ich sah Dich neulich
Dort an dem Baum, es war abscheulich.
Da wetztest Du am Stamm die Krallen,
Das kann mir gar nicht gut gefallen.
Denn Du weißt, der Baum ist mein,
Drum lass die Rinde Rinde sein."

"Ach, und mit den Mäusen, mit den vielen,
Darf ich dann wohl auch nicht spielen?
Sag, darf in der Sonne ich mich räkeln,
Oder würd' auch das Dich ekeln?"

"Genau, genau, Du Neunmalschlau.
Das gehört hier alles mir,

denn ich, ich bin das Dackeltier.

Auch wenn es Dir nicht gut gefällt,


Mir gehört die ganze Welt."

Da fängt der Kater an zu greinen
Und ganz bitterlich zu weinen.
Und weint sich grad die Seele aus,
Da kommt ein Pfiff, dort aus dem Haus.

Und nach dem Pfiff, da kommt ein Mann
Mit sauerrotem Kopf heran:
Des Hundes Herrchen mit dem Strick,
Für Dackelpeters Halsgenick!


"Hund, du sollst vor Deiner Hütte stehen


Und nicht im Park spazierengehen.
Hast Glück, daß ich Dich nicht verdresche,
Jetzt bind' ich Dich an diese Esche."

Der Kater sieht das still mit an
Und beginnt zu lachen dann.
Dann geht die Katz zum Brunnenwasser
Und mit dem Blick zum Katzenhasser
Wäscht sie betulich ihre Pfoten.
Und der Hund?

Der liegt am Knoten.


Athen Nov. 98

Lieb Mädchen

Lieb Mädchen, weine, weine bitte nicht

Ich liebe Dich, das geb' ich Dir auch schriftlich
Wir sind für'nander so was wie bestimmt
Gut Kind, ich bin nur etwas schlecht erzogen

Wir sind für'nander so was wie bestimmt
Die Eltern waren keine Pädagogen.

Leichtsinnig nennst Du mich
Ein Herumtreiber sei ich
Ich tränk und schliefe manchmal nicht Zuhause

Doch ich tausch nicht mein Gehirn
Und ich schreib's mir auf die Stirn
So bin ich, und so war ich und, so bleib ich

So bin ich, und so war ich und, so bleib ich


(Übersetzung des griechischen Liedes
"O Epipolaios" von Giannis Kalatzis, 1969)

Traumata am Traualtar

So, wo sind wir denn jetzt wieder hin?
Wie kommen wir da wieder weg?

Gibt’s einen Weg – Hat’s einen Sinn

Wo ich bin - wo wir sind. Wo wir sind?


Wir sind auf Hochzeit in Apolda.
Wird ein toller Abend,
Heute ist Folterabend.
Tschuldigung, Polterabend.

Noch ist's nicht voll da, in Apolda.
Noch sind nur wir da, in Apolda.
Noch ist Bier da, in Apolda.
Apolda: ein Umfeld, wo auffällt, wer umfällt.

Hannes heißt der erste Gast,
Ein Bürgersmann, der ungern verpasst,
Was die Brautfrau Magda da so macht,
In der Nacht, bevor es kracht … Brautnacht …

Schön hier auf der Hochzeitsparty!
Majestätisch prangt ein Fetisch
Auf dem Buffet-Tisch:
Das ist ein Frisch-Fisch!
Tolle Idee – bei dem Budget!

Doch Hannes lehnt am Teetisch.
Hannes kam direktemang von seiner Tante
Gab sich dort bereits die Kante
Und leckt nun leckeres Püree vom Teller.

Hannes schickt geschickte Blicke
Nach der schicken Brautfrau Magda aus.
Die Magda zieht sich geradewegs gerade aus und um   
Im Schlupfraum ihrer Mägde und der Zofe vom Hofe.

Was mag die Magda da wohl machen?
Sie schlüpft behend aus heißen weißen Sachen?

Und Sie bricht und bricht und

Sie bricht der Ehe Eid mit Lachen!


Sie stiehlt das Kleid und sich aus dem Hause
Ja, ist denn das Gedicht nun ause?
Nein, die Geschichte geht weiter,
Denn sie nimmt eine Leiter,

Sie klettert aus dem Haus hinab, niemand hält sie,
da bricht die Sprosse, da fällt sie!
Doch sie fällt in ein weich geweiztes Feld
Und gibt den Fersen Fersengeld.

Hannes schaltet automatisch,
Und schnellt im schnellen Auto hinterdrein.
Hannes schaltet automatisch,
So schnell wie er, kann sie nicht sein!

Doch da verreißt er den lieben lila Leder-Lenker,
fährt einen Schlenker zum Henker
und knallt mit Gewalt
direkt in den Wald.

Die Haut an Hannes’ Kopf ist ab.
Magda haut den Kopf ihm ab.
Magda buddelt ihm ein Grab.
Dann haut sie ab, direkt nach Brüssel.

„Brautkleidmarkt für Brüssler Spitzen“.
Da sieht man sie im Brautkleid sitzen,
Doch weil Brüssler gerne witzen,
Bleibt sie dort nicht lange sitzen!

"Komm Mädel, steig mit ein, denn
Gebrauchter Brautkleidverleih,
das kann nicht alles sein,
Zieh dich an, und dann sei mein.“

Und den hat sie dann geheiratet.

Und in Apolda?
Die haben nichts gemerkt.
Die sind immer noch voll da,
In Apolda.

Wind

Atem

der Atem

der Menschen

atmende Menschen

hauchender Wind

unsichtbar atmet Erde

der Baum

die Lunge

unsichtbar atmet Wald

Bäume durch Blätter

durchatmen den Wald

im Blätterwald atmet

der Wetterwind

blättert im Wind

Wind blättert

in den Blättern

blättert der Waldwind

windet der Wind Wind

verfängt sich der Wind

Wind im Wind Wind

Wind Wind Wind

Anima und Animus

Anima und Animus
fuhren mit dem Linienbus,

hatten sich was zu sagen,

fuhren nach Kopenhagen.

Und mit viel Verdruß Verdruß

stritt Anima mit Animus.

Da nahmen sie eine Säge

und trennten ihre Wege.

Die eine ging nach Kassel,

der andre nach Wiesbaden.

Und nach sieben sieben Jahren,

die nun schon getrennt sie waren,
trafen sie sich dann in Kassel:
"Na, wie war's Baden?
"Wie?"
"Na, wie's Baden war?
"Was?"
"Na, war's doch Baden!?"

 "Baden in Kassel? Im heißen Kessel?"

 "Wiesbaden in Hessen war!"
"A, wie's Baden war?"
"Ja."
"Schön."
Man kann hier deutlich sehen,
sie konnten sich erneut verstehen,
und wollten nie mehr auseinandergehen.

Der tote Hund (lange nach Baudelaire)

Und als die beiden gehen im Hain,

da spricht sie: "Was mag das dort sein?"

Da liegt etwas im Wiesengrund,

Entstellt und kalt, einstmals ein Hund.


"Was hat der wohl schon gesehen?

Muss so schmählich er vergehen?"


Sich dies fragend schaut sie dann,

ihn genauer einmal an:


Sieht, das zwischen blanken Zähnen
Und auch in den offenen Venen,


Ameisen voller Eifrigkeit

sich tummeln in Glückseligkeit.

   

Haben doch nun ihre Larven

den wohl wunderschönsten Hafen.


Und stehend vor des Hundes offenen Bauch

Sieht sie zum Manne auf und flüstert:

 

"Schau, alles liebt sich -

Lieb mich auch."


Dussmann-Kritiker-Preis

Einst ward mir das Glück beschieden, einen Preis zu gewinnen für die Rezension eines Buches über den Dichter Heinrich Kleist.

Erste Auflage, erschienen im Piper Verlag München 2004.

Hier mein Text:


Heinz Ohff: „Heinrich von Kleist. Ein preussisches Schicksal“

Auf 200 Seiten erzählt Heinz Ohff über Heinrich v. Kleist und betrachtet dessen Leben, Werk und Wirkung. In plauderhaftem Ton fügt der Autor Interessantes und Bekanntes zusammen. Leider gelingt es Ohff nicht, bis zum Untertitel seines Buches vorzustoßen und „ein preussisches Schicksal“ herauszuarbeiten. Obwohl das Buch – laut Klappentext – „mit gewohnter Meisterschaft“ verfaßt ist, könnte es selbst als Einführung zu Kleist nicht überzeugen. Zu ungenau bleibt Ohff in seinen Recherchen. Fußnoten wären mitunter hilfreich. Diese fehlen schon bei Kleists Geburt: Ohff gibt den 19. Oktober 1777 an, obgleich bis heute unklar ist, ob Kleist am 10. oder 18. Oktober geboren wurde. Zu selten geht der Autor ins Detail. Ohff berichtet zwar, wie Kleist einen Räuber von der Kutsche peitschte, erwähnt aber nicht den Brief, in dem Kleist schreibt, daß der Kutscher den Räuber peitschte (an Fr. v. Massow, 1793).


Doch Ohff weiß auf andere Weise zu unterhalten. Fast beiläufig streut er bisher unbekannte Sensationen ein. Demnach starb Schiller nicht 1805, sondern war 1807 (!) noch am Leben, als Kleist einen Verlag in Dresden gründete. Ohff schreibt „Goethe und Schiller finden die gewagte Sache interessant. Auf die Briefe aus Dresden allerdings, die sie um ein paar Beiträge, Gedichte oder Prosa, bitten, reagieren sie nicht. Die beiden Berühmtheiten sind anderweitig wohl weitgehend überlastet“. Ohne zu klären, womit Schiller überlastet war, spielt der Autor den nächsten Trumpf aus: „Das Ehepaar Hardenberg besitzt einiges Unveröffentlichtes ihres im Jahre 1772 erst achtundzwanzigjährig verstorbenen Verwandten, des Dichters Novalis“. Bisher wurde Novalis 1772 geboren. Da blüht uns eine neue Romantikdebatte.


Mitunter verliert Ohff den Faden. Er schreibt kommentarlos: „Es wird nicht das letzte Mal sein, daß die Deutschen einen Krieg verlieren und dadurch einen Anstieg des kulturellen Lebens erfahren.“ Weiter unten entstellt Ohff das Zitat „Heil! Heil! Heil!“ aus „Prinz von Homburg“ (Akt 4,11) mit den undeutlichen Worten „das ging damals noch“. O tempora, o Ohff!


Im letzten Kapitel erwartet den Leser ein lustiges Fehlersuchspiel. Dort ist Kleists Grabstein zu sehen, darauf die Zeile „Er lebte sang und litt“. Ohff aber resümiert: „Ob die Zeile ‚er lebte lang’ für einen so früh Vollendeten passend erscheint, mag dahingestellt bleiben“. Wohin gestellt?


Das Buch lag beim Lesen gut in der Hand, es hat ein Lesebändchen, und auf dem Schutzumschlag sieht man ein Bild, von dem man nicht weiß, ob es Kleist darstellt. Denn wer weiß schon, wie man Kleist darstellt?



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