Musik
Komposition für Wildvögel auf Trommel und präparierter Gitarre
- Im Winter 2003 beobachtete der Klangkünstler Carsten Schneider die wiederkehrende Landung zweier Grünlinge auf der Fensterbank seines Tonstudios. Aus dieser Beobachtung erwuchs die ungewöhnliche Idee, Wildvögel aktiv in einen klanglichen Schaffensprozess einzubinden. Über einen Zeitraum von drei Jahren gelang es, drei Generationen von Grünfinken, Meisen und Amseln an die Präsenz von Musikinstrumenten – insbesondere einer Trommel und einer präparierten E-Gitarre – im Atelier zu gewöhnen. Diese behutsame Annäherung mündete schließlich in Tonaufnahmen, die 2007 abgeschlossen wurden. Die Vögel hatten ihre Scheu vor den Instrumenten und deren potenziellen Lautstärke verloren und interagierten auf einzigartige Weise mit ihnen.
- Suzanne Hensel beschreibt im Begleitheft der resultierenden CD die entstandenen Klänge als "... phantastische Klangfolgen in frischfarbiger Rhythmisierung, die trotz oder wegen ihrer Zufälligkeit einer inneren Logik zu folgen scheinen: Ein faszinierendes Klangspiel für Singvögel, Trommeln, präparierte Gitarre und offenes Fenster. (...) In einer Zeit, da die Natur sich von uns Menschen zu entfernen scheint, ist dieses Klangkunstwerk auch ein Appell, sich staunend und schützend vor dem Wunder Natur zu verneigen."
- Die Präsentation der "Vogeltrommel" durch Dr. Götz Naleppa im Deutschlandfunk im Jahr 2007 unterstreicht die Relevanz dieses Projekts innerhalb der zeitgenössischen Klangkunst.
Kunstwissenschaftliche Einordnung:
- Carsten Schneiders "Einladung zum Konzert" lässt sich im Kontext der Klangökologie und der partizipativen Kunst verorten. Das Projekt überschreitet traditionelle anthropozentrische Kompositionsansätze, indem es nicht-menschliche Akteure – die Wildvögel – als genuine Ko-Kreateure in den musikalischen Prozess integriert.
- Die Präparation der Gitarre verweist auf eine lange Tradition experimenteller Musikinstrumentenbehandlung, die darauf abzielt, neue Klangfarben und Texturen zu generieren und konventionelle Spielweisen zu erweitern. In Kombination mit den unvorhersehbaren Interventionen der Vögel entsteht eine aleatorische Komposition, deren Struktur und Klanggestalt maßgeblich vom Zufall und der Interaktion der verschiedenen Akteure bestimmt werden.
- Das offene Fenster als integraler Bestandteil der Klanginstallation thematisiert auf subtile Weise die Beziehungen zwischen Innen- und Außenraum, Kultur und Natur. Es verwischt die Grenzen zwischen dem kontrollierten Raum des Tonstudios und der unvorhersehbaren Umwelt, wodurch eine fragile und temporäre Klanglandschaft entsteht.
- Die Arbeit kann auch im weiteren Feld der Tier-Mensch-Studien betrachtet werden, indem sie auf künstlerische Weise die Agency von Tieren und die Möglichkeiten interspezifischer Kommunikation und Kooperation untersucht. In einer Zeit des zunehmenden Bewusstseins für ökologische Fragestellungen und den Verlust der Biodiversität kann Schneiders Projekt als künstlerische Intervention verstanden werden, die auf die Verletzlichkeit der Natur aufmerksam macht und zu einer neuen Wertschätzung der natürlichen Welt einlädt. Die von Suzanne Hensel hervorgehobene "innere Logik" der zufälligen Klangfolgen mag dabei als Spiegelbild der komplexen und oft unvorhersehbaren Rhythmen der Natur selbst interpretiert werden.

Weitere musikalische Erkundungen
2005
Katzensonne
Katzensonne, das einzige meiner Lieder, das je im Radio gespielt wurde.
Abbildung von Stella Hensel
2009
Assassinlady (CD und LP)
2008
Hexenbast
2008
The Feedback Warrior
2007
Tief
2007
Nabelschau
Zehn No-Input-Mixer in Feedbackschleifen und Elektroknoten.
Cover: Abb. aus der Anatomia von Guy de Vigeganot (1345)
2006
Ritterspiele
Cover: Miniatur von Jehan de Grise (um 1350),
Abbildung aus Bodleian Library Oxford
2007
Geigenqual
Für diese Aufnahmen baute ich riesige Streichinstrumente.
Die größten davon fünf Meter hoch.
Die Resonanzkörper bestanden aus mit Holz verstrebten Kartonagen,
die Saiten Klaviersaiten und dicke Drähte.
Die Instrumente kamen bei "Alles über Mozart" (Wien '06) zum Einsatz.
2006
Hoffnung
Coverphoto: Katja und Erich Arendt /// Verfremdung C. Schneider
2005
Spielzeuge
Cover nach einem Bild von Stella Hensel
2004
Eine Bergstadt, die nur Wind und graues Elend kennt
Photo von Katja und Erich Arendt, verdreht von C. Schneider
2003
Freeze my Candy frierender Zucker
Schnuckenmusik und dazu Deutschlandfunk im Hintergrundradio.
Cover: Photo von Dan McCoy / Rainbow